Die Zeitqualität 2016 – Die Zersplitterung
Warum nicht mehr zusammenhält, was bislang gehalten hat.
Rückblick auf 2015
Der Herbst hat Einzug gehalten und damit das nahende Ende eines Zeitfensters eingeläutet, das viele Erfahrungen und Erkenntnisse mit sich gebracht hat. Im Spiegel des Yijing und seiner einzigartigen Methode, solche Zeitbedingungen aufzuzeigen, steht das Jahr 2015 unter dem Thema des Zeichens H 8 – Das Zusammenhalten: oben das Wasser und unten die Erde. Der Regen, der von oben auf die Erde fällt und sie befruchtet, ist das Symbol einer magnetischen Kraft, die das Leben zusammenhält. Sie bewirkt das Werden und das Vergehen, das Kommen und das Gehen – gleich einem starken Leittier, das im Zentrum seiner Herde steht. Ist es in seinem Verhalten eindeutig, hält es alles zusammen, lässt es in seiner führenden Kraft nach, zerstreut sich, was ihm folgte.
Die gesellschaftliche Situation weltweit, ist mit diesem Bild vergleichbar: Wo es eine starke, zentrale Kraftquelle gibt, da bleiben die Menschen, wo nicht, da flüchten sie. „Das Leittier“, dem sie einst folgten, hat sich in vielen Ländern zum gemeinen Diktator entwickelt, der Zusammenhalt mit Gewalt erzwingen will. Zusammenhalten ist aber ein freiheitliches Muster. Es zwingt nicht, sondern überzeugt durch förderliche Qualitäten für ein größeres Ganzes. Eine Kraft, die führen will, ohne menschenverbindende Fähigkeiten, kann nur verlieren und will sie das nicht wahrhaben, fängt sie an, das Volk zu maßregeln, zu dominieren und zu unterdrücken.
Das Jahr 2016 im Zeichen der Zersplitterung
Das Ende einer Zeitära mit bestimmten Normen und Regeln ist angebrochen. Es hat sich lange im Hintergrund vorbereitet und einige Themenbilder der vergangenen Jahre versteckt begleitet. Wer die jeweiligen Jahreszeichen des Yijing beobachtet hat, der konnte es deutlich sehen. Nun tritt es zunehmend als dominante Zeitqualität in den Vordergrund: Der Zerfall alter Strukturen und nicht mehr tauglicher Konzepte des Miteinanders, so das Hauptthema. Dies zeigt uns das Yijing im Zeichen H 23 – Die Zersplitterung, welches das Jahr 2016 beherrscht.
Das astrologische Jahr beginnt laut der Berechnungsmethodik der Himmelsstämme und Erdenzweige der Astrologie des Yijing mit der Wintersonnenwende am 21./22. Dezember. Diese Stamm- und Zweigkombinationen bringen im Jahr 2016 das Tierkreiszeichen Feuer-Affe und damit das Hexagramm 23 – Die Zersplitterung hervor: unten die weiche Erde und oben der stillehaltende Berg.
1. Das abgeerntete Lebensfeld
Die Struktur des Hexagramms 23 stellt ein Haus dar, dessen ehemals gesunder Untergrund geschwächt ist und nur noch durch das Dach zusammengehalten wird. Nicht greif- und sichtbare Elemente haben die tragenden Mauern langsam und heimlich unterhöhlt. Wird nun das Dach zum Einbrechen gebracht, fällt das Haus in sich zusammen. Das Schriftzeichen „Bo“ erweitert dieses Bild des Zerfalls alter Strukturen und spricht vom Abfällen eines Baumes, dessen Zweige und Äste an allen Seiten herunterfallen und dessen Rinde in Fetzen zersplittert.
2. Die Essenz des Vergangenen
“Die Würfel des Schicksals” sind gefallen. Was bedeutet, dass der unaufhaltsame Umschwung zum Neuen nicht mehr aufzuhalten ist. Der tragende Firstbalken, ein Sinnbild für den Geist einer Zeit, hat seine Tragfähigkeit verloren. Die Felder, auf denen gewirtschaftet wurde, sind unfruchtbar geworden. Aus der abgeschälten Rinde, den Ästen und Zweigen – Sinnbilder für die unterschiedlichen Bereiche des Lebensgebäudes – wird Humus gebildet. Eine fruchtbare Essenz des Vergangenen, die den Boden bildet für die Neustrukturierung. Das Große Lassen und Neuwerden steht vor der Tür, was das nachfolgende Zeichen im Jahr 2017 mit Hexagramm 24 – Die Wiederkehr bestätigt.
3. Das neu zu bebauende Lebensfeld (2017)
Der starke Strich an unterer Stelle ist das Yang des expansiven Donners, der Same des Anfangs, auf dem Acker des Irdischen. Aus dem Humus des Zerfallenen hat sich wieder ein stabiles Fundament entwickelt, auf dem „die Sache Mensch und Leben“ eine Neuinszenierung erfährt. Dies ist bestimmt kein Weltuntergangs-Szenario aber dennoch ein deutlich spürbarer Wandel der Zeitverhältnisse auf allen Ebenen. Es braucht nur wenig an Beobachtungsgabe, um diese immer vehementer gewordenen Veränderungen in den Weltverhältnissen zu bestätigen.
„Der Geist der Sache Leben ist unvergänglich, nur das Leben ist verfänglich. Allem Werden folgt das Vergehen und dem Vergehen folgt das Werden. Im Kleinen täglich zu sehen, im Großen allmählich sich entwickelnd und in Zeit sich vollendend.“ (R. van Osten)
Das Zeitfenster vom 20 Juni bis zum 21. August 2016
Vierte Linie: Beschädigung der Ruhestätte im Zentrum
„Das Bett wird zersplittert bis zur Haut. Unheil.“
„Das Unglück erreicht hier den eigenen Leib, nicht mehr nur den Ruheplatz. Eine Warnung oder sonstiger Zusatz ist nicht beigefügt. Das Unheil ist auf der Höhe: es läßt sich nicht mehr abwenden.“ (Richard Wilhelm, I Ging).
Die Ruhestätte bricht auseinander
Das Unglück ist auf seinem Höhepunkt angekommen und greift schon den Körper an (die soziale Instanz des Herzens). Man ist der Gefahr schutzlos ausgeliefert und niemand ist bereit, zu helfen. Selbst die Ruhestätte – der letzte Zufluchtsort – bricht auseinander und verletzt den darin Liegenden. Sowohl von außen als auch von innen ist man aufs Höchste bedroht. Ob dies das Unterbewusstsein ist, das sich nicht länger betrügen lässt oder die dunklen Elemente der Umgebung, die einen vernichten wollen – man steht kurz vor dem Fall und benötigt außergewöhnliches Geschick, um nicht vollends in den Sog des Schlechten zu geraten (R. van Osten, I Ging – Das Buch vom Leben).
„Das Skelett oder Gespenst springt aus dem Kasten“, so schreibt es Offerman. Es geht an die Substanz, an das Eingemachte, das Hausgemachte. Nun gilt es, Farbe zu bekennen. Vorbei ist das billige Versteckspiel hinter bloßer Förmlichkeit. Das Linienhexagramm 35 – Der Fortschritt bestätigt dies. Es zeigt den linear progressiven Aufstieg der Sonne über dem Berg bis zum Zenit. Hervortreten und zeigen, wer und wie man wirklich ist. Alles neurotische Agieren wird ans Licht gebracht, denn der Leidensdruck ist groß. Immerhin ist hier der Bereich des Herzens erreicht und was dieses an Machenschaften bislang alles ertragen musste, das ist schwerwiegend und eingebrannt. Wo soll man dafür Hilfe finden? Der eigene Instinkt ist in
niederen Beweggründen gebunden. Das Denken ist inhaltsleer und in Abgründe verstrickt und das instabile Gefühls-Ich kann auch keine Rettung sein. Wo jetzt noch Ruhe zu finden ist, das ist schwer zu sagen, aber vielleicht ist die Hinwendung zu fortschrittlichen Kräften der Erneuerung ein Weg, um nicht gänzlich der Gleichgültigkeit oder der Depression zu verfallen.
An ein kompetentes Gegenüber zu denken, das helfen kann, ist in dieser Situation absolut angebracht. Am besten einen guten, einen sehr guten Therapeuten, der die Tiefe beleuchten und die einnehmenden Schatten ins Licht heben kann. Eine Psychose könnte ins Haus stehen, wenn das nachbarliche Selbst nicht ins Herz gehoben wird.
„Ich bin nicht, der ich glaubte zu sein. Es ist nichts so, wie ich dachte, dass es sein sollte. Die Verbindung zum Leben war eine Scheinehe, nicht echt, nur fiktiv. Meine Kenntnisse waren Halteseile des Ich. Kompensationsmittel aus Furcht vor der Erkenntnis.“ Wenn es im Sterbeprozess an diese Stelle kommt, dann ist ein Beichtvater oder eine liebevolle Sterbebegleitung das Thema. Eine letzte Erhellung vor dem Seelenflug in den Himmel der Wiederkehr. So oder so: Es ist das Gemachte und das Gedachte, das uns beschwert und wenn dieses gehen darf, dann wird es leicht, wie das Linienhexagramm der fünften Ebene H 20 – Die Betrachtung zeigt.
Zeitbezogene Analyse der vierten Linie
An dieser Stelle sind die Zentren der Macht angesprochen, die Zentren der Ich-Dominanz, denen es jetzt ans Leder geht. Soziale Missstände überall und diese werden aufgedeckt und kommen an die Oberfläche. Lange genug hat man es verstanden, die menschlichen Belange hinter formellen Regeln und Bestimmungen zu missachten. „Es sind uns die Hände gebunden“, so der lautlose O-Ton der Intriganten, wobei diese Binden von ihnen selber geflochten wurden. Allein so zu tun, als wolle man helfen, wolle man beistehen, wolle man ändern, wäre man zuständig – dieses Versteckspiel hinter den eigenen Interessen, wird nun öffentlich gemacht. Wenn es an das Eingemachte der Menschen geht, das Herz in Flammen steht, dann wird es eng, dann braucht es fortschrittliche Helfer, die es verstehen, die vielen Brandherde zu löschen, die durch Abtun und Wegschauen zustande kamen. Es heißt also aufzuwachen, denn der Schattenzug der Verdrängungen rast mit hoher Geschwindigkeit auf den Abgrund zu – und noch immer wagt man zu träumen. Tatsächlich ist dies ein psychotischer Realitätsverlust im großen Stil. Was steht uns da ins Haus? Wer sind die dunklen Elemente, die uns von außen bedrohen? Spiegel der kollektiven Missstände im Ich-Haushalt? Selbstverständlich. Sie zeigen sich in allen Bereichen des Außens, stören unsere Ruhe und dies global. Denn die Sonne des Linienhexagramms H 35 – Der Fortschritt steht im Zenit. So bricht es denn herein, das Summenpendel aller Verdrängungen, das Schattenmuster der fiktiven Sicherheit und Ordnung. Ein Entfliehen gibt es da nicht. Also: hinschauen, Herz öffnen, anpacken und nach vorne sehen.
Auszug aus: Hexagramm 23 – Die Zersplitterung; ZhanDao Edition im Synergia Verlag, Darmstadt, © 2007 und 2016 by René van Osten
NEUERSCHEINUNG: Das Buch zum Thema
Hexagramm 23 – Die Zersplitterung
Vom Loslassen, dem ewigen Wandel und dem Neuwerden
Autor: René van Osten
Gebundene Ausgabe, 88 Seiten
ISBN: 9783906873060
ZhanDao Edition
Preis: 20.00 €
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